Rückblick
Passender hätte der Ort für einmal nicht sein können: mit der Möglichkeit, während des Kaffees einen Blick auf Teile der Dauerausstellung «Experience Energy» zu werfen, fand die Jahrestagung vom 15. Juni 2023 im «House of Energy» des Verkehrshauses Luzern statt.
Die Tagung stand ganz im Zeichen der Umstände, welche eine Strommangellage in Europa im Winter 2022/23 zu einem realistischen Szenario werden liessen. Eine Situation, in welcher das Angebot an elektrischer Energie die Nachfrage nicht mehr decken kann und auch der Markt und die Preise keine regulierende Wirkung mehr haben, trat dank verschiedenen positiven Umständen und Entwicklungen glücklicherweise nicht ein.
Das Risiko von Mangellagen ist damit nicht gebannt. Die Schweiz hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Die Reduktionsziele sollen vor allem mit einer Reduktion der durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden CO2-Emissionen erreicht werden. Strom steht dabei im Zentrum; verbunden mit der Dekarbonisierung wird der Bedarf nach elektrischer Energie stark zunehmen. Gleichzeitig müssen wegfallende Kernkraftkapazitäten ersetzt werden. Der Druck auf einen massiven und schnellen Zubau fossilfreier Stromproduktion nimmt deshalb deutlich zu. Wo heute noch Überkapazitäten bestehen, zeichnen sich in naher Zukunft zunehmende Importabhängigkeiten ab.
Das Referat von Dr. Thomas Geissmann, Group Strategy Manager bei der Axpo, trug den Titel «das Energiesystem der Schweiz im Wandel». Anhand langfristiger Zeitreihen zeigte er die Entwicklung des Verbrauchs elektrischer Energie eindrücklich auf. Die Erreichung der CO2-Reduktionsziele erfordert massive Investitionen in die Stromerzeugung und -verteilung. Verschärft wird dieser Umstand durch die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten aufgrund des vorherrschenden Angebotsüberhangs wenig Anreiz für werterhaltende Investitionen bestand. Die Herausforderungen, welche sich im Zusammenhang mit der langfristigen Sicherstellung des Energiesystems der Schweiz stellen, sind vielschichtig und komplex. Wichtige Einflussfaktoren auf den Energieverbrauch sind insbesondere Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie Veränderungen in der Technologie und des Lebensstils.
Dr. Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik beim Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem), beleuchtete in seinem Referat die Implikationen einer Energiemangellage auf die Tech-Industrie. Die Frage, wie die Produktion bei einer Stromreduktion aufrechterhalten werden kann und die Folgen erhöhter Stromkosten gemildert werden können, stand dabei im Zentrum. Vor dem Hintergrund, dass sich die drohende Mangellage im vergangenen Winter auf Europa begrenzte, war der Spielraum für Preisanpassungen äusserst beschränkt. Insbesondere auf asiatischen Märkten hätte die Preis-Wettbewerbsfähigkeit darunter gelitten. Äusserst aufschlussreich waren die dargelegten Ergebnisse aus Mitgliederbefragungen von Swissmem. Sie vermitteln einen Eindruck, wie die Firmen auf die Herausforderung einer potentiellen Mangellage konkret reagiert haben.
Das Referat von Etienne Schüpfer, Lead Consultant und Krisenstabchef der Migros Industrie, trug den Titel «Sicherstellung der Warenverfügbarkeit in unsicheren Zeiten». Krisenstab und Organisation als Ganzes waren im Verlauf der COVID-19-Pandemie phasenweise aufs äusserste gefordert. Die in dieser Krise etablierten Abläufe und Prozesse erwiesen sich für die Migros Industrie und die Migros als Ganzes im Kontext Energiemangellage als äusserst wertvoll. Organisation und Stab waren aus den Pandemiejahren gewohnt, sich rasch auf ändernde Rahmenbedingungen einzustellen und situationsgerechte Eventualplanungen vorzunehmen. Die Möglichkeiten zur kurzfristigen Reduktion des Energieverbrauchs sind dabei einigermassen limitiert. Prozesswärme in der Produktion respektive Prozesskälte für Lagerung und Distribution sind für die Aufrechterhaltung einer mit den Hygieneanforderungen konformen Versorgung mit Lebensmitteln unumgänglich. Einschränkungen der angebotenen Produktpalette sind eine mögliche Option. Abschliessend betont Etienne Schüpfer die Wichtigkeit eines in der Organisation verankerten Wertesystems. Gelebter Respekt, Gemeinschaftssinn und Wertschätzung tragen im Krisenfall entscheidend zu dessen Überwindung bei.
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