Rückblick
Ein kleines, doch interessiertes Publikum folgte der Einladung des Netzwerks Risikomanagements zu seiner 43. Fachveranstaltung, die zum Thema „Risiken in der Arbeitssicherheit – Umsetzung in der Praxis“ im Info-Center der Franke Group in Aarburg am 10. September 2019 stattfand.
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ist einer der diversen Bereiche, die einerseits zum Unternehmens-Risikomanagement im weiteren Sinne gehören, andererseits einen eigenen spezialisierten Führungsprozess darstellen (wie z.B. das IKS, BCM oder Compliance-Management). Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind namentlich dort von zentraler Bedeutung, wo die Arbeitsprozesse mit dem Einsatz hoher Energien (Lage, Bewegung, Strom) und gefährlichen Substanzen verbunden sind, d.h. primär in der industriellen Produktion. Sie sind im Lauf der industriellen Entwicklung immer wichtiger geworden, so wichtig, dass sie über die internationale Normierung hinaus (z.B. ISO 45001) mit weitreichenden Gesetzen reguliert wurden. Im Mittelpunkt der praktischen Umsetzung stehen in der Schweiz drei Akteurgruppen: (1) die einzelnen Unternehmungen, welche die Arbeitsprozesse organisieren und verantworten, (2) die SUVA, welche im Dienst von Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine zentrale Stellung in der Prävention, der Versicherung und Rehabilitation einnimmt, sowie (3) die Kantone, welche den Gesetzesvollzug unter Aufsicht des Bundes weitgehend verantworten. Alle Gruppen waren an der Fachveranstaltung vertreten und warteten mit vier spannenden Referaten auf.
Gleich mit zwei Referenten vertreten war das Schweizer Familienunternehmen Omya AG, die in über 50 Ländern bzw. 180 Bergbau- und Produktionsstätten rund 8‘000 Mitarbeitende beschäftigt. Ihre Spezialität sind Kalkpräparate (CaCO3), die als Komponenten in der Herstellung ganz unterschiedlicher Endprodukte – von Verpackungsmaterialien bis zu Lebensmitteln – Absatz finden.
PD Dr. Joachim Orth, Leiter Qualitätsmanagement und Regulatory Affairs Konsumgüter bei Omya, stellte im ersten Referat das Arbeitssicherheits-Management zunächst in den grösseren Kontext des Konzern-Risikomanagements, wo es als Teil des operativen RM betrieben wird. Die Ziele sind weltweit für alle Werke hoch: „Zero accidents, zero waste, zero complaints!“ Die Arbeitssicherheit wird entlang der gesamten Produktionskette gepflegt, vom Abbau über die Herstellung bis zum Transport der Produkte. Hauptrisiken sind dabei: (1) Rutschen, Stolpern und Fallen, (2) Arbeiten in der Höhe, (3) rotierende Elemente, d.h. Maschinen, sowie (4) elektrische Installationen. In methodischer Hinsicht arbeitet das Risikomanagement mit den bekannten Instrumenten der operativen Risikoanalyse (z.B. FMEA, HAZOP, HACCP). Überdies werden Schadenfälle systematisch analysiert und bereits auf Stufe unsicherer Handlungen mittels Critical Incident Reporting System (CIRS) ausgewertet.
Im zweiten Referat veranschaulichte Urs Frei, Sicherheitsingenieur bei Omya AG, anhand zweier Fallbeispiele, wie das hohe Sicherheitsverständnis konzeptionell gefasst und in die Praxis umgesetzt wird: Sowohl im Betrieb des Zentrallagers von Produkten (einschliesslich Chemikalien) als auch beim Umzug von Laboratorien mit spezieller Ausrüstung und gefährlichen Stoffen folgen die Sicherheitselemente immer der gleichen Logik: (1) Prävention, z.B. Gefahrenportfolio, Risikoanalysen, Sensibilisierung Kader und Mitarbeitende, (2) Massnahmenplanung, (3) Notfallplanung, (4) Kontrolle und Tests sowie (5) Verbesserung. Die Erfahrung zeigt zweierlei: Erstens dürfen die letzten beiden Schritte nie unterschätzt werden, zweitens geht es nie nur um Technik, sondern immer auch um Menschen.
Armin Zimmermann, Leiter Produktportfolio und Innovation im Bereich Gesundheitsschutz der SUVA, zeigt eindrücklich, wie sich der kontinuierliche Ausbau von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Schweiz im Rückgang der Unfallzahlen spiegelt: Waren 1916 noch über 300 Unfälle pro 1000 Vollzeitstellen zu verzeichnen, sank diese Zahl im Verlauf des letzten Jahrhunderts auf weniger als 100. Ein zentraler Ansatz zur weiteren Senkung der Unfallhäufigkeit ist der „Weg zu Null Unfällen“ (Bradley-Kurve), d.h. der Übergang vom reaktiven Handeln der Organisation (Vorschrift, Regeln) zum aktiven Handeln des Einzelnen im Team (Überzeugung, Unterstützung). Dabei nehmen auch hier die Führungskräfte eine Schlüsselrolle ein: „Sicherheitskultur fängt in der Führung an“, sagt Zimmermann.
Einen Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie deren Vollzug gibt Evelyn Ripke, Leiterin des kantonalen Arbeitsinspektorats Aargau. Massgebliche Regelwerke auf Gesetzesstufe sind das Unfallversicherungsgesetz (UVG, SR 832.20) und das Arbeitsgesetz (ArG, SR 822.11) sowie ihre Ausführungsbestimmungen. Eine wertvolle praktische Hilfe bieten überdies die zahlreichen Richtlinien, Checklisten und branchenspezifischen Publikationen der Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS (www.ekas.admin.ch). Exemplarisch führt die Referentin schliesslich durch die Kernpunkte des Arbeitnehmerschutzes im Fall von Bauen und Umgestalten.
Mit anderem Thema, aber nicht minder interessant, stellt schliesslich Jean-Baptiste Flüeler, Student an der HS Luzern, die Ergebnisse seiner Bachelor-Arbeit dem Netzwerk RM vor. Flüelers Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten quantitativer Risikomanagement-Methoden in Industrieunternehmen ist das erste Projekt dieser Art, das vom Netzwerk Risikomanagement spezifisch unterstützt wurde; weitere sollen folgen.
Die Folien finden Sie nachfolgend im PDF zum Herunterladen: