Rückblick
„Schwer ist’s, einen guten Ruf zu gewinnen, noch schwerer ihn zu verdienen, und am schwersten, ihn zu bewahren.“
Frei nach Friedrich Martin von Bodenstedt, startete am 31. August 2021 in Luzern an der HSLU die 49. Fachveranstaltung des Netzwerk Risikomanagement.
Dr. iur. Daniel Lucien Bühr, Fürsprecher und Partner bei LALIVE, präsentierte den neuen ISO Standard 37000 «Governance of Organisations», dessen Publikation für Mitte September 2021 geplant ist. Bei der Entwicklung haben zahlreiche Organisationen und Verbände mitgewirkt, darunter auch die Verbände der Internen und Externen Revision. Für den Referenten besteht somit kein Bedarf mehr u. a. an dem bisherigen «Three Lines Model» des IIA. Anhand eines Beispiels zeigte Dr. Bühr erste Einschätzungen der Risiken durch Nichtbeachtung des neuen Standards auf und kam zum Ergebnis: Ja, es kann Grundlage für den Beweis von Verstössen gegen die Sorgfaltspflicht sein und damit eine Haftung der Organe begründen. Der neue Standard ist also mehr als nur «nice to do», schlussfolgert der Referent. Die international anerkannten Prinzipien guter Governance, wie sie nach ISO 37000 gelten, sollten unbedingt von Verwaltungsräten und Geschäftsleitenden beachtet werden.
Die ONR 49000 Serie ist eine Erfolgsgeschichte, so der nächste Referent Prof. Dr. Bruno Brühwiler, Inhaber der Firma Eurorisk Ltd. Daher überrascht der nächste Schritt nicht: Das Regelwerk wurde zu einer ÖNORM mit der Möglichkeit der Zertifizierung weiterentwickelt. Sie ist seit Januar 2021 verfügbar. Sowohl die bewährte Struktur als auch die Inhaltsschwerpunkte der ONR 49000 Serie haben sich nicht wesentlich geändert und finden sich praxisorientiert auch in der neuen ÖNORM Serie wieder. Das Kernelement ist ein ganzheitliches Risikomanagement, welches die Erreichung der Ziele sicherstellen soll. Der Referent zog zudem einen Vergleich zwischen der ISO-NORM 9001 und der neuen ÖNORM: Letztere konkretisiert und vertieft die Elemente der ISO-Norm. Die ÖNORM versteht sich als Fundament, auf dem andere Managementsysteme, wie z. B. für Qualität, Umwelt, Sicherheit oder Business Continuity Management aufgebaut werden können. Die Zeit der rein empfehlenden Regelwerke für das Risikomanagement geht laut Prof. Dr. Brühwiler zu Ende.
Nach den normativen Grundlagen ging es in die Praxis. Sabrina Huber, COO CRO.Swiss startete einen Flirtversuch zwischen Reputationsmanagement und Risikomanagement. Die beiden Bereiche haben trotz unterschiedlicher Blickwinkel eine grosse Schnittmenge. Als Definition gilt kurz und knapp: Reputation ist Bewertung. An anschaulichen Beispiele zeigte Frau Huber sowohl auf, was Reputationsschäden tatsächlich bewirken können, und wie wirkungsvoll ein wohlüberlegtes Vorgehen in und mit einer Krise sein kann. Die Referentin ist klar: «Mehr Schein als Sein» funktioniert nicht, Reputationsmanagement ist mehr als blosses Marketing. Die Wahrnehmung ergibt sich aus der Summe aller Ereignisse, seien sie nun positiver oder negativer Natur, und wird durch jeden Mitarbeitenden nach aussen repräsentiert. Sie machte in ihrem Vortrag deutlich, dass Reputationsmanagement ein zentraler Erfolgsfaktor für ein Unternehmen sein kann.
Wie kann man aber nun messen, wie gut die Reputation eines Unternehmens ist? Passend zum vorangegangenen Beitrag wurde diese Frage von Dr. Anja Reimer, Client Business Partner GfK, aufgegriffen. Der GfK Business Reflector misst jährlich die Reputation der bedeutendsten Schweizer Unternehmen. Drei Aspekte erwarten die Schweizer hiernach in erster Linie von Unternehmen: Sichere Arbeitsplätze in der Region, einen respektvollen Umgang mit Natur und natürlichen Ressourcen, sowie faire Lieferketten und soziale, ökologische Arbeitsbedingungen an den Produktionsstandorten. Der Effekt von COVID-19 ist auch bei den Rankings zu spüren: Die Pandemie rangiert nach Klima und Umweltverschmutzung am Mai 2021 auf Rang drei der Themen, die zu den grössten Sorgen gehören. Konsequenterweise lässt sich ein enger Zusammenhang feststellen: Je verantwortungsvoller sich ein Unternehmen während der Corona-Krise verhält, desto besser die Reputation.
Interessante Gegenüberstellung der letzten beiden Vorträge: Als Unternehmen mit dem besten Reputationsmanagement wurde 2021 Nestlé zum Gewinner ernannt. Geht es um das Unternehmen mit der besten Reputation, gewann zum achten Mal in Folge die Migros das Reputationsranking. Daran erkennt man, dass die Reputation von vielen anderen Faktoren mitbestimmt wird, die ein Unternehmen nur bedingt beeinflussen kann.
Kann man sich gegen Reputationsschäden versichern? Roy Baumann, Director Swiss Re Corporate Solutions, startete seinen Vortrag mit folgendem Zitat von Will Durant: «We are what we repeatedly do. Excellence, then, is not an act but a habit.”. Auch er bestätigt: Der gute Ruf ein sehr wertvolles und verletzliches Gut. Die Reputation rangiert unter den wichtigsten Vermögenswerten eines Unternehmens, ist zugleich jedoch auch eines der am schwierigsten zu schützenden. Früher konnte sich ein Unternehmen auf seinen Unternehmenswert, gemessen am Aktienkurs, berufen. Heute muss jedes Unternehmen zeigen, was sein Beitrag zum «grossen Ganzen» ist. Das Versicherungsangebot ist sehr heterogen und noch tief im traditionellen Versicherungsdenken verwurzelt. Die Zukunft sieht der Referent in datenbasierten Versicherungslösungen, die u. a. auf der Vorhersage von Ereignissen auf der Grundlage künstlicher Intelligenz basieren.
Abschliessend noch ein Erfahrungsbericht: Dr. Daniel Imhof, Chief Risk Officer der Schweizerischen Post. Die Post erlebte mit dem Postautoskandal einen der grössten Reputationsschäden ihrer Geschichte. Trotz allgemein positiver Wahrnehmung der neuen Strategiepunkte bleibt der Skandal in den Köpfen der Bevölkerung. Welche Auswirkungen hatte die Krise auf das Unternehmen? Im sog. Issue Management beobachtet und managed es heute aktiv die Reputation. Im Risikomanagement wird das Reputationsrisiko explizit und systematisch bei der Risikobewertung berücksichtigt. Am Beispiel «Entwicklung Poststellennetz» veranschaulichte er das Vorgehen. Hilft es der Reputation, wenn die Verantwortlichen das Unternehmen verlassen? Nein, meint der Referent, die Personen gehen, der schlecht Ruf bleibt und muss wieder aufgebaut werden. Ein Mittel dazu sei der bewusste und proaktive Umgang mit der Krise.
Mit einer kurzen, interessanten Diskussionsrunde schloss die 49. Fachveranstaltung des Netzwerk Risikomanagements.
Das Detailprogramm finden Sie hier:
Die Folien finden Sie nachfolgend im PDF zum Herunterladen: